Advocatus Diaboli

Advocatus Diaboli

Die Forschung zeigt, dass das menschliche Denken und Entscheiden vielen Verzerrungen unterliegt.

Beispielsweise gewichten wir jene Fakten als wichtiger, welche gerade verfügbar sind (uns in den Sinn kommen). Man bezeichnet dies als Verfügbarkeitsheuristik.

Grundwahrscheinlichkeiten schätzen wir regelmässig falsch ein und richten unsere Aufmerksamkeit stattdessen auf besonders herausstechende Merkmale – unter anderem bekannt als base-rate fallacy.

Überdies suchen wir lieber nach Hinweisen dafür, welche unsere Meinungen verstärken, als nach solchen, welche diese widerlegen, was unter dem Begriff confirmation bias zusammengefasst wird.

Nehmen wir für einmal ein Beispiel, das nichts mit der Schule zu tun hat: Urlaubsplanung.

Auf den bekannten Suchportalen sind die meisten Hotels und Übernachtungsmöglichkeiten mit Sternen bewertet.

Was machen wir nun, wenn wir eine Unterkunft gefunden haben, die uns vielversprechend erscheint und die wir gerne buchen möchten?

Sinnvoller Reise schlüpfen wir in die Rolle des Anwalts des Teufels (Advocatus Diaboli) und suchen bewusst nach Hinweisen, welche unsere (anstehende) Wahl widerlegen würden.

 Was könnte uns bei unserem ersten Eindruck entgangen sein? Was haben andere Gäste als „nicht zufriedenstellend“ wahrgenommen? Ist dies für mich und meine Bewertung der Situation auch relevant oder könnte ich damit leben?

Dadurch, dass wir unseren ersten Eindruck bewusst zu widerlegen versuchen, gewinnt dieser an Wert, wenn uns dies dennoch nicht gelingt.

Sind wir dies jedoch auch bereit, wenn es um unsere eigenen Bewertungen, um unseren Unterricht oder unser tägliches Handeln geht? Erlauben wir möglicherweise gar unseren Schülerinnen und Schülern, die Rolle des Advocatus Diaboli zu übernehmen?

Kritisches Denken im Kontext des Miteinanders

Kritisches Denken im Kontext des Miteinanders

Das Kontinuum (die Bandbreite) des sozialen Einflusses und des Miteinanders reicht vom totalen Gehorsam bis hin zum erbitterten Widerstand.

Menschen zeigen nicht in jeder Situation dasselbe Verhalten. Eine Tendenz jedoch ist in der Regel vorhanden – sei dies innerhalb einer Epoche oder einer Kultur.

Zu Beginn des 20.Jahrhunderts wurden Kindern andere Werte vermittelt als in den 1960-er Jahren. Und während beispielsweise verschiedene asiatische Kulturen das Gruppendenken und die Achtung des Kollektivs hoch werten, dominiert in diversen westlichen Kulturen eher der Gedanke der Unabhängigkeit.

Eine vielfach geforderte Kompetenz im modernen Bildungswesen ist das kritische Denken. Dieses wird sogar als 21st-Century-Skill bezeichnet (als Fähigkeit, welche man im Leben des 21.Jahrhunderts unbedingt braucht).

Etwas provokativ könnte man sagen: Viele hätten kritisches Denken vor allem dann gerne, wenn es um andere geht. Wenn es jedoch den eigenen Alltag, die persönliche Führung oder den Unterricht betrifft, dann wäre Gehorsam oder doch immerhin Folgsamkeit oft (scheinbar) einfacher.

Selbstverständlich können nicht alle Verhaltensauffälligkeiten und alle Schwierigkeiten des Zusammenlebens auf das kritische Denken zurückgeführt werden. Manche Verhaltensweisen sind schlicht nicht akzeptabel.

Wenn wir jedoch kritisches Denken fordern, müssen wir zum sachlichen Dialog bereit sein, und wir müssen damit umgehen können, wenn Ansichten anders und die Kompromissfindung anspruchsvoller sind.

Verarbeitungstiefe von Lernprozessen

Verarbeitungstiefe von Lernprozessen

Lern- und Kompetenzziele können sehr vielfältig sein.

Die Beurteilung der Zielerreichung ist stets abhängig von den Ansprüchen.

Wie tiefgehend soll ein Thema bearbeitet werden? Was sollen die Schülerinnen und Schüler von diesen Lerninhalten in ihren Alltag und auf ihren persönlichen Lebensweg mitnehmen? Gelten für alle Lernenden der Klasse dieselben Erwartungen? Und falls nicht, wo liegen die Mindestansprüche?

Die kognitive Taxonomie (Klassifikationsraster) nach Bloom kann dabei helfen, die Verarbeitungstiefe von Lerninhalten festzulegen.

Die bloomsche Klassifikation besteht aus 6 Ebenen. Die folgenden Aussagen zur Einordnung der Lerntiefe sowie die damit verbundenen Tätigkeiten haben die bloomsche Taxonomie als Grundlage.

Sie sind jedoch bewusst vereinfacht formuliert.

Die Lernenden können…Die Lernenden…  
…sich an Lerninhalte erinnern und einzelne Teile davon wiedergeben.notieren
beschriften
beantworten
…Lerninhalte als Ganzes verstehen.zusammenfassen
beschreiben
darstellen
…Lerninhalte in leicht abgeänderten Situationen selbst anwenden.durchführen
experimentieren
anpassen
…Lerninhalte im Detail verstehen und in eigenen Worten erklären, was diese ausmacht.sortieren
vergleichen
interpretieren
…Lerninhalte verwenden, um eigene Ideen umzusetzen.erfinden
planen
gestalten
…Lerninhalten die persönliche Bedeutung zumessen und diese im eigenen Alltag selbständig nutzen.bewerten
auswählen
nutzen

Geh-Lernt

Geh-Lernt

Die Entwicklungspsychologie weist einen starken Zusammenhang zwischen der motorischen und der kognitiven Entwicklung nach. Wer die Welt erkunden und erfahren kann, geht mit ihr eine Beziehung ein.

Dass dies nicht nur für die frühe Entwicklung gilt, zeigen verschiedene Studien und Empfehlungen:

Das (Schweizerische) Bundesamt für Gesundheit empfiehlt mindestens eine Stunde Sport (Bewegung) pro Tag.

Kinder, welche zu Fuss zur Schule kommen, können sich gemäss amerikanischen Studien wesentlich besser konzentrieren als solche, die zur Schule gefahren werden.

Von Sokrates über Beethoven bis Steve Jobs waren viele kluge Köpfe bekannt dafür, ihre Inspiration im Spazieren und im Gehen zu finden.

Sich gehend mit jemandem auszutauschen hat einen grossen Effekt auf die Kreativität, auf das Verarbeiten und auf das nachhaltige Lernen.

Statt also am Ende der Lektion sitzend Ergebnisse oder Lösungen zu vergleichen, können Schülerinnen und Schüler gemeinsam auf einem Spaziergang (ums Schulhaus) ihre Erfahrungen austauschen – man kann ja nachher immer noch im traditionellen Stil korrigieren, wenn es notwendig erscheint; oder aber die Erkenntnisse in einem Lerntagebuch festhalten.

Phasen der Kreativität

Phasen der Kreativität

Graham Wallas hat den Prozess des kreativen Denkens in einem Modell zusammengefasst. Dieses Modell besteht aus vier Phasen.

In der Phase der Exploration (Entdeckung) begegnet man einer Frage oder einem Problem, für das es noch keine Lösung gibt. Das Problem weckt jedoch die Neugier sowie die Leidenschaft und lässt einem nicht mehr los.

In der Phase der Inkubation (Reifung) versucht man verschiedene Lösungsideen aus, welche aber nicht zum erhofften Resultat führen. Deshalb lässt man vom Problem ab und löst die (bewussten) Gedanken davon.

In der Phase der Illumination (Erleuchtung) kommt man, oft auch unerwartet, zum Aha-Erlebnis. Nicht selten geschieht dies, wenn man im Schlaf, bei einem Spaziergang oder bei einer alltäglichen Tätigkeit eigentlich mit etwas ganz anderem beschäftigt ist oder wenn man die Gedanken einfach schweifen lässt.

In der Phase der Verifikation (Umsetzung) wird die gewonnene Einsicht eingeordnet und möglichst gezielt in die Problemsituation eingebunden. Nun zeigt sich der Wert der neuen Idee. Oft braucht es dabei die Vernetzung mit weiteren Personen, welche zusätzliches Fachwissen einbringen oder sich an der Überprüfung und Ausgestaltung der innovativen Lösungsidee beteiligen.

Kreativität fördern (Teil 1)

Kreativität fördern (Teil 1)

Gemäss einer Theorie von Sternberg und Lubart haben kreative Menschen einige gemeinsame Eigenschaften, die von Eltern und Lehrpersonen gefördert werden können. 6 Förderbereiche sollen in diesem und dem nächsten Blogartikel aufgezeigt werden:

Denkweise

Kreativität gründet auf einer divergenten, offenen Denkweise. Diese steht teilweise im Widerspruch zum traditionellen, konvergenten Schuldenken, welches auf dem direktesten Weg auf die eine richtige Lösungen abzielt.

Intellektuelle Ressourcen

Kreativität ist nicht planloses Chaos, das rein zufällig zu Erfolgen führt. Kreativität braucht auch intellektuelle Fähigkeiten. Um kreativ zu sein, muss man neue Probleme finden oder alte Probleme auf eine neue Weise zu betrachten.

Ebenso beinhaltet Kreativität die Fähigkeit, eine Vielzahl von Ideen miteinander zu vergleichen und die beste auszuwählen.

Schliesslich geht es auch um die Kompetenz, andere vom Wert einer neuen Lösungsidee zu überzeugen und diese gemeinsam umzusetzen.

Wissen

Kreativität baut auf Wissen. Howard Gruber sagte, Erleuchtung kommt zu einem vorbereiteten Hirn. Man kann nur erkennen, was man (zumindest ansatzweise) versteht. Dafür braucht es ein fundiertes Grundwissen.

Kreative Intelligenz

Kreative Intelligenz

Kreativität ist die Fähigkeit, neue und nützliche Ideen zu generieren, die von anderen gleichermassen als wertvoll und nützlich beurteilt werden.

Es lässt sich also nicht jedes Verhalten oder jedes Produkt beliebig mit das ist eben kreativ entschuldigen oder begründen.

Kreativität beruht auf divergentem Denken.

Dieses will möglichst viele Lösungsideen generieren und akzeptiert Ambiguität (Mehrdeutigkeit) und Unbestimmtheit als Teil der Wahrheit. Kreativität braucht deshalb auch Zeit.

Damit steht es im Gegensatz zum traditionellen, konvergenten Schuldenken, welches darauf abzielte, möglichst schnell die eine richtige Lösung oder Schlussfolgerung zu finden.

Kreativität ist mehr durch das förderliche Umfeld als durch angeborenes Talent erklärbar, auch wenn eine gewisse Abhängigkeit zum traditionellen IQ besteht.

Eltern und Lehrpersonen kreativer Kinder haben gemeinsam, dass sie Neugier fördern und Freiheiten ermöglichen, um individuelle Interessen zu verfolgen. Dabei akzeptieren sie, dass kreative Menschen manchmal auch ein wenig unorthodox oder rebellisch denken und wirken.

Was heisst „Lernen“?

Was heisst „Lernen“?

Lernen ist die nachhaltige Veränderung der persönlichen Wahrnehmung, Handlung oder Handlungsmöglichkeiten sowie des persönlichen Denkens.

Am Ende des Lernens (oder beim Erreichen von Meilensteinen des Lernens) stehen damit die Fragen:

  • Was (Wahrnehmung, Handlungsweise, Denken) hat sich verändert?
  • Ist diese Veränderung nachhaltig?

Lernen basiert auf Erfahrung und ist damit stets persönlich. Niemand kann stellvertretend für jemand anderen lernen. Lernen muss persönlich berühren.

Dies bedingt individuelle Aktivität. Die Lernenden müssen persönlich Wahrnehmen, in ihrem persönlichen Handeln und Denken das Gewohnte und damit die persönliche Komfortzone verlassen.

Lernen ist ein Tanz zwischen der Komfortzone (wo sich Veränderung verdichtet und mit Vorhandenem verknüpft) und der Lernzone (wo Veränderung angestossen wird).

Lehren heisst, diese Veränderung des Wahrnehmens, des Handelns und des Denkens anzuregen, zu begleiten und die Fremd-Perspektive in den Prozess einzubringen.

Der Kommunikationspsychologe Friedemann Schulz von Thun sagt, dass die Wahrheit immer zu zweit beginnt. In diesem Sinne hielt auch Johann Heinrich Pestalozzi fest, dass keiner alleine die ganze Wahrheit besitzt.

(Persönliche) Entwicklung kann nur im Dialog erfolgen.